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     Unsere Küchenbulle Don Jürgen

Geben wir es ruhig zu: Kochen hat immer auch etwas mit Show zu tun. Wenn man schon stundenlang in der Küche steht, dann möchte man auch mal was zu Angeben haben. Und da das zubereitete Mahl ja nicht unbedingt immer etwas ist, mit dem man angeben kann oder sollte, braucht man halt so seine Statussymbole.

Das kann etwas vergleichsweise Einfaches sein wie etwa ein Induktionsherd, ein Kühlschrank im US- Retro- Look mit frontal eingebautem Eiswürfelspender oder eine antik- italienische Espressomaschine mit chromblitzender Kühlerfigur.

Allerdings wählen die meisten Küchenbenutzer in meinem Bekanntenkreis lieber etwas subtilere Statussymbole. Meist sind das Messer. Ein prall gefüllter Messerblock gehört einfach dazu. Nicht allein, dass der Block selbst schon mal teurer sein kann, als ein Kühlschrank vom Discounter, nein: Da müssen dann auch noch die entsprechenden Messer rein.

Um mit Messern ordentlich was hermachen zu können, darf man es natürlich nicht bei bekannten Namen wie Zwilling oder Dreizack belassen. Wen will man denn mit so was noch beeindrucken? Da muss dann schon der eine oder andere Geheimtipp her. Mein Tipp wären Güde- Messer aus Solingen oder Global- Messer aus Japan. Und auch die Messer des französischen Herstellers Sabatier halte ich für durchaus empfehlenswert.

Wenn so weit alles klar ist, können wir dann zum nächsten Schritt kommen: Zum Overkill. Schließlich braucht man für jeden Zweck ein bestimmtes Messer: zum Tranchieren, zum Filetieren, zum Ausbeinen, zur Parieren, zum Spicken, zum Spargelschälen, zum Gemüseschnitzen, zum Auswaiden von Geflügel, zum Totstechen von Schweinen undsoweiter.

Ich will Ihnen ja hier nicht den Spaß verderben - aber wenn wir mal ehrlich sind, kommen wir mit vielleicht zwei Messern bestens durchs Leben: ein langes und ein kurzes. Und natürlich ein Brotmesser. Alles weitere mag ja Spaß machen, ist aber nicht wirklich nötig.

Wirklich nötig ist eigentlich nur ein Messer: Ein Taschenmesser.

Ehrlich.

Es kommt nun mal vor, dass man fern der eigenen Küche an den Herd gestellt wird: Mag sein, dass man kurzfristig zum Aufbruch gezwungen wurde und keine Zeit hatte, das nötigste Gepäck (also die eben erwähnten beiden Messer) zu schnüren, mag sein, dass man eine Ferienwohnung gemietet hat und der Zusicherung des Vermieters, die Küche sei vollständig ausgestattet, allzu blauäugig getraut hat. In solchen Situationen hilft nur ein Taschenmesser.

Damit meine ich nicht die überdimensionalen so genannten Schweizer Offiziersmesser mit eingebautem Kreiselkompass, ausklappbarem USB-Memorystick (ehrlich!) und mindestens zwölf Klingen, von denen man keine wirklich braucht (und ohne Flaschenöffner!), und die ums Verrecken nicht in die eigene Hand passen wollen.

Nein, ich meine ein ehrliches Taschenmesser. Eines mit einer einzigen, etwa zehn Zentimeter langen Klinge, die aber wirklich was taugen muss. Das heißt, dass sie nicht nur scharf ist, wenn man im Laden vorsichtig daran herumreibt, sondern dass sie sich auch mit einem ganz normalen Wetzstahl vernünftig abziehen lässt, um dann wieder zur Verfügung zu stehen.

Natürlich kann man mit so einem Taschenmesser auch mal ein Paket aufmachen oder ein paar Blumen ordentlich zurecht stutzen - das gehört ebenso dazu. Doch seine wahren Qualitäten enthüllt so ein Taschenmesser nun mal erst dann, wenn man in fremder Küche steht, ein Rezept und alle passenden Zutaten vor der Nase liegen hat - und ausgerechnet dann feststellen muss, dass die Messer, die im Messerblock stecken, zwar gut aussehen, aber leider Gottes durch die Werbung eines neuen Abonnenten für die ortsübliche Lokalzeitung erworben wurden.

Solche Taschenmesser - also ohne ausklappbares Dreigang- Hollandrad und ähnlichen Unfug - werden bevorzugt in Frankreich gefertigt. Nachdem ich mich in den zurückliegenden Jahren des Öfteren in der Bretagne aufgehalten habe, bin ich natürlich gern bereit, den dort gefertigten Messern einen Vertrauensvorsprung einzuräumen. Dennoch gebe ich unumwunden zu, dass das Messer, das sich in meiner Tasche befindet, die Aufschrift "Laguiole" trägt.

Laguiole ist ein französisches Städtchen, das sich südlich von Clermont- Ferrand und nördlich der Achse zwischen Toulouse und Montpellier befindet. Seine Messerschmiede sind angeblich weltberühmt.

Leider kann ich die Empfehlung für ein Laguiole- Messer nicht so uneingeschränkt aussprechen wie die Empfehlung für ein Güde-, Global- oder Sabatier- Messer. Das liegt eben daran, dass Laguiole zunächst mal ein französisches Städtchen südlich von Clermont- Ferrand ist - und kein Hersteller. Alle Messermacher aus Laguiole dürfen ihre Messer offenbar Laguiole nennen. Das ist so ähnlich wie beim Camembert, nehme ich an.

Immerhin: Allen Laguiole- Messern ist dieses wunderbare fließende Design zu Eigen, das dafür sorgt, dass ein Laguiole- Taschenmesser auch im gut geschnittenen Maßanzug nicht unnötig aufträgt. Ebenso tragen alle Laguiole- Taschenmesser eine Art Wellenschliff auf der Rückseite der Klinge, eine stilisierte Fliege auf dem Klapp- Mechanismus sowie eine Art florales Gebimsel (wie Donna Claudia sagen würde), das in den Griff ziseliert wurde. Irgendwer hat mir mal erzählt, dies symbolisiere die Elemente Feuer, Wasser und Luft, die zum Schmieden einer Klinge eben unerlässlich sind.

Hier endet allerdings die Gemeinsamkeit. Sie gilt leider nicht für die Klingen. Hier gibt es Dutzende unterschiedlicher Logos und nicht weniger verschiedene Qualitäten.

Ich habe inzwischen etliche Laguiole- Taschenmesser besessen und benutzt. Alle ließen sich wunderbar unauffällig in die Hosentasche stecken - nur leider gab es dramatische Unterschiede bei der Qualität der Klingen. Hier finden Sie die verschiedenen Logos. Eines meiner Laguiole- Taschenmesser trug auf der Klinge neben dem Laguiole- Schriftzug sogar das Logo des schwedischen Herstellers Sandvik (und das war weiß Gott nicht die schlechteste Klinge!). Andere Laguiole- Taschenmesser hatten Klingen, die man eigentlich sofort dem Verkäufer in den Hals hätte rammen müssen - so lange sie noch scharf sind.

Leider geben auch die Vertriebsadresse oder der Preis wenig Aufschluss auf die Qualität der Klinge: Wenn Sie in einem wohl beleumdeten Messer- Fachgeschäft ein Laguiole- Taschenmesser erwerben, kann das wirklich schrottig sein (ich habe es erlebt). Wenn Sie sich auf einer französischen Autobahnraststätte für 60 oder 100 Øre ein Laguiole- Taschenmesser andrehen lassen, kann das durchaus eine bemerkenswert gute Klinge haben (auch das habe ich erlebt).

Zur Auswahl nur so viel: Einem Laguiole- Taschenmesser, das für weniger als 50 Øre angeboten wird, sollte man mit einiger Vorsicht begegnen. Wenn Sie einen vertrauenswürdigen Messerlieferanten haben, können Sie ihn hier auf die Probe stellen. Wenn nicht, müssen Sie es halt ausprobieren.

Ein kleiner Trost: Etwa die Hälfte aller Laguiole- Taschenmesser, die ich je besaß, benutzte oder verloren habe, waren von wirklich erstklassiger Qualität. Mit einem solchen Taschenmesser könnten Sie beispielsweise folgendes Gericht zubereiten:

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Rindfleisch mit Austernsoße

Für sechs Personen

4 Rinderhüftsteaks (á ca. 200 g)
2 rote Paprika
150 g Zuckerschoten
1 Bund Frühlingszwiebeln
3 Möhren
ca. 3 cm Ingwer
3 TL Speisestärke
3 TL Zucker
3 TL helle Sojasoße
3 EL trockener Sherry
5 EL Austernsoße
Salz
Erdnussöl
Dunkles Sesamöl

Die Steaks…
…kurz unter fließendem Wasser waschen, trocken tupfen und quer in dünne Streifen schneiden.

Die Speisestärke…
…mit dem Zucker, der Sojasoße und dem Sherry zu einer Marinade verrühren. Das Fleisch darin eine halbe Stunde ziehen lassen.

Die Möhren…
…putzen, schrappen, längs teilen und quer in dünne Scheiben schneiden.

Die Paprika…
…waschen, entkernen und in Streifen schneiden.

Die Frühlingszwiebeln…
…waschen, putzen, längs halbieren und quer in etwa ein Zentimeter lange Stücke schneiden.

Den Ingwer…
…schälen und in sehr dünne Scheiben schneiden.

Im Wok…
…(oder einer großen Pfanne) reichlich Erdnussöl erhitzen, das Fleisch mit der Marinade hinein geben und unter Rühren rundum anbraten. Das Fleisch aus dem Wok nehmen und beiseite stellen. Wenn nötig, noch etwas Erdnussöl in den Wok geben, einen Spritzer Sesamöl zugeben, alles erhitzen und das Gemüse etwa vier Minuten unter Rühren anbraten. Das Fleisch wieder in den Wok geben. Die Austernsoße einrühren, alles mit Salz abschmecken und noch etwas garen lassen.

Dazu: Reis.

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Austernsoße und helle Sojasoße bekommen Sie im Asia- Laden. Dort werden sie mitunter auch unter den Namen "Oyster Sauce" und "Superior Soy Sauce" gehandelt. Achten Sie beim Braten des Gemüses - und beim abschließenden Garen - darauf, dass das Gemüse noch bissfest sein sollte, wenn Sie es auf den Tisch stellen.

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